Faulheit als neuer Weg zur Self-Care

Jeder kennt diese Tage, an denen einfach nur herumgegammelt wird, ohne wirklich produktiv zu sein. Die Steuererklärung wartet, der tropfende Wasserhahn müsste repariert werden, und der nächste Urlaub sollte geplant werden. Dennoch bekommt man nichts auf die Reihe und blickt oft reuevoll auf die vermeintlich verschwendete Zeit zurück. Doch paradoxerweise fühlt man sich während dieser Phasen der Faulheit oft gut – ein entspannter Tag gibt Körper und Geist neue Kraft.
Schluss mit erzwungenem Wohlbefinden
Selbst Entspannung und Wohlbefinden folgen heutzutage oft einem festen Plan. Wellness nennt sich diese teilweise erzwungene Entspannung – erzwungen deshalb, weil viele Menschen innerlich nicht bereit für Erholung sind, wenn es der Massagetermin vorschreibt. Die bewusste Faulheit ist aus der Anti-Wellness-Bewegung entstanden. Sie zeigt, dass Entspannung und Wohlbefinden nicht zwingend teure Schlammpackungen oder das neueste Superfood erfordern, das vielleicht nicht einmal schmeckt.
Unsere Gesellschaft ist von Leistung geprägt – sogar in Bereichen, in denen eigentlich Entspannung im Vordergrund stehen sollte. Wellness und Wohlbefinden haben teilweise toxische Züge angenommen. Dabei kann es so einfach sein: Durch bewusste Faulheit lassen sich Körper und Geist regelrecht „resetten“.
Abbau von Stress
Viele psychische und physische Erkrankungen lassen sich auf Stress zurückführen. Durch gezielte Phasen der Faulheit kann Stress effektiv abgebaut werden – allerdings nur, wenn diese Phasen bewusst erlebt werden. Tatsächlich müssen viele Menschen Faulheit erst wieder erlernen und insbesondere geniessen. Nur so profitieren sie von den positiven Effekten.
Faulheit ist in unserer Gesellschaft negativ behaftet. Wer auf die Frage, was er in seiner Self-Care-Zeit gemacht hat, mit „nichts“ antwortet, erntet oft verständnislose Blicke. Um einen Tag Faulheit bewusst geniessen zu können, sollte er im Voraus zumindest grob geplant sein. Das Motto lautet: Alles kann, nichts muss. Ein Vorrat an Lieblingssnacks, ein Film, den man schon immer sehen wollte, oder ein lang ersehntes Computerspiel können die perfekte Grundlage für einen solchen Tag sein. Unrasiert und ungeduscht bleiben? Absolut in Ordnung. Eine Runde Joggen, wenn einem danach ist? Kein Problem. Den ganzen Tag im Bett oder vor dem Fernseher verbringen? Ebenfalls völlig legitim.
Das Wichtigste: An einem Tag der Faulheit gibt es keinen festen Plan. In einer Phase von Faulheit sollte man alleine sein. Gemeinsam faul zu sein funktioniert nur selten, da nicht mehr die eigenen Bedürfnisse im Vordergrund stehen.
Neue geistige Impulse
Einen ganzen Tag ohne To-do-Liste zu verbringen, kann anfangs herausfordernd sein. Doch wer Faulheit regelmässig praktiziert, merkt schnell, dass er nicht wirklich faul ist – stattdessen entstehen viele neue geistige Impulse.
Da kein festgelegter Plan im Hintergrund drängt, hat das Gehirn plötzlich Raum für neue Gedanken. Wer die Vorteile der Faulheit nutzen möchte, sollte einen Notizblock bereithalten, um Ideen sofort festzuhalten. Viele stellen fest, dass Einfälle, die in Phasen ungezwungenen Denkens entstehen, oft innovativer sind, als alle Ideen, die etwa in einem Meeting gesammelt wurden.
Körperlicher Reset
Viele moderne Gesundheitsratgeber verdammen Faulheit und betrachten sie als Krankheit. Natürlich gibt es krankhafte Faulheit, etwa Prokrastination. Doch wer gelegentlich bewusst einen faulen Tag einlegt, tut Körper und Geist etwas Gutes.
Man sollte lernen, auf seinen Körper zu hören – denn auch er benötigt Erholungsphasen. Schlaf alleine reicht oft nicht aus. Ein Tag, an dem der Körper nicht übermässig beansprucht wird und nicht durchgehend auf Hochtouren läuft, kann erholsamer sein als jeder Spa-Besuch.
Faulheit im Alltag
Nicht jeder hat den Luxus, sich einen ganzen Tag, eine Woche oder vielleicht sogar noch länger bewusster Faulheit zu widmen. Oft bleiben nur wenige Minuten oder Stunden am Tag, in denen man gezielt nichts tut. Diese Zeit sollte genutzt werden – etwa indem man sich in der Mittagspause alleine in den Park setzt und einfach ins Leere schaut. Das ist erholsamer als jedes Mittagessen mit Kollegen, bei dem meist nur über die Arbeit gesprochen wird.
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