Die Tücken des Bewerbungsgespräches

Die Sonderbehandlung von Führungskräften

Steht man schon etwas höher auf der Hierarchieleiter, dann stehen die sogenannten Führungsqualitäten sogar im Vordergrund. Das Gremium möchte herausfinden, ob der Bewerber schon so weit ist, Verantwortung für das Unternehmen übernehmen und tragen zu können. Gerade in Behörden ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gesetzlich verankert, und das ist auch gut so. Hier befindet sich also eine sehr direkte Schnittstelle zur Genderkompetenz des Bewerbers, und da braucht man sich nicht wundern, wenn das Gremium auf diesem Punkt etwas insistierend herumreitet.

Viele grössere Unternehmen unterhalten einen Rahmenvertrag mit einem Dienstleister für psychologische Beratungen. An Auswahlgesprächen für Führungskräfte nehmen oftmals auch noch Mitarbeiter dieses Dienstleisters aktiv teil. Da kann es passieren, dass Sie zu einem Rollenspiel während bzw. im Rahmen der Vorstellungsveranstaltung aufgefordert werden. Der Dienstleister spielt dann z. B. gekonnt einen ziemlich renitenten Mitarbeiter (Stichwort: Umgang mit schwierigen Zeitgenossen), der es ablehnt, bestimmte Tätigkeiten, die aber für das Projekt wichtig sind, zu erledigen, und Sie werden nun dabei beobachtet, wie Sie die Situation entschärfen und den Kollegen motivieren, den Job doch zu machen.

Und natürlich kommt auch noch eine Hammerfrage zu Ihrer Genderkompetenz, das steht fest. Ein beliebtes Konstrukt könnte z. B. so aussehen: „Sie haben zwei gut bewährte Mitarbeiter, einen Mann und eine Frau, aber nur eine Beförderung auf eine wichtige Projektleitung zu vergeben. Sie tendieren dazu, der Frau diesen guten Posten anzubieten. Die Unterlagen sind schon vorbereitet und brauchen eigentlich nur noch unterschrieben werden, da eröffnet Ihnen die Dame, dass sie schwanger ist. Hat das evtl. einen Einfluss auf Ihre Entscheidung?“

Sagen Sie jetzt nicht einfach nur: Nein, die kriegt den Job. Sie sind als Führungskraft auch dem Unternehmen verpflichtet und sollen optimale Entscheidungen für alle Beteiligten treffen. Beschreiben Sie jetzt das Spannungsfeld, in dem Sie sich befinden, machen Sie klar, dass Sie das Problem verstanden haben, dass Sie nicht leichtfertig entscheiden und dass Frauen nicht dafür bestraft gehören, dass sie der Gesellschaft Kinder gebären. Sie dürfen z. B. erst einmal temporär dem Mann den Posten geben, um die Elternzeit mit Nachdruck dafür zu nutzen, eine zweite vergleichbare Stelle zu erwirken.

Und auch der Personalrat, der sonst eher schweigsam ist, soll er doch nur beobachten, ob die Gespräche formal richtig und unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung ablaufen, meldet sich bei Führungskräften gern mal zu Wort. Er könnte sich z. B. vom Bewerber mal erklären lassen, was er unter einer Dienstvereinbarung versteht, oder ob der Bewerber eine Idee davon hat, wie ein Personalentwicklungskonzept aussehen sollte, was er von Mitarbeiterrotation hält, oder wie lange er angehäufte Aufgaben ggf. mit Arbeitnehmerüberlassungen erledigen lassen würde.

 

Keine falsche Bescheidenheit

Am Ende des Gespräches wird man Ihnen noch Gelegenheit geben, eigene Fragen zu stellen. Beschränken Sie sich aus Höflichkeit auf eine, höchstens zwei Fragen, denn das Gremium ist vielleicht schon müde, führt es doch an diesem Tag mehrere derartige Gespräche, die durchaus auch für das hochkonzentrierte Gremium anstrengend sind. Viele Bewerber wagen es an dieser Stelle nicht, nach der Bezahlung zu fragen, nach der Eingruppierung oder nach der Stufe. Diese Scheu ist aber nicht geboten. Wer selbstbewusst klar macht, dass ihm die Stufe kein Fremdwort ist und dass er meint, eine höhere Stufe zu verdienen, weil er bestimmte gleichwertige Arbeiten schon jahrelang an einem anderen Arbeitsplatz erledigt hat, zeigt, dass er das System kennt und auf Augenhöhe mitreden kann. Genau diese Mitarbeiter wünscht sich ein Unternehmen, das ja gesetzlich dazu verpflichtet ist, einen Betriebsrat zu bilden. Und dessen Aufgaben sollen von geeigneten Persönlichkeiten wahrgenommen werden. Sie bringen in diesem Moment also sogar eine potenziell höhere Verwendungsbreite mit ein.

Bildquelle: I-vista / pixelio.de

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