Über den Fluch der Teamarbeit

Wer in der vorzüglichen Situation ist, hin und wieder in seiner Firma an Vorstellungsgesprächen teilnehmen zu können, erlebt während oder nach dem Durchlauf der fachlichen Erörterungen immer wieder diese fragliche Fragestellung:

"Sie haben doch bisher auch viel mit anderen Kolleginnen und Kollegen zusammengearbeitet. Da läuft ja nicht immer alles glatt. Können Sie uns bitte mal beispielhaft über einen Konflikt berichten, und wie Sie damit umgegangen sind? Konnten Sie zur Konfliktlösung etwas beitragen? Wie haben Sie das gemacht? Welche Rolle haben Sie im Team gespielt, eher den stetigen Arbeiter im Hintergrund, oder doch mehr voranpreschend, die Angelegenheiten der Gruppe in die Hand nehmend?"

So oder so ähnlich können diese Art Nachfragen aussehen, es ist sinnvoll, sich darauf einzustellen, sich schon vorher schlagfertige Antworten zurechtzulegen, denn in vielen Betrieben wird die sogenannte Teamfähigkeit sogar über die fachliche Kompetenz gerückt. Wer will sich schon eine Laus in den Pelz setzen, welche Führungskraft will schon, dass ihr Stuhl wackelt, weil der Neue nach drei Tagen das Zepter in der Abteilung übernimmt?

 

Intelligenter Eigenbrötler versus Team

Es ist eine bewiesene Tatsache, dass schläfrige, harmoniebedürftige Teams im statistischen Mittel deutlich schlechtere Ergebnisse abliefern, als so eigensinnige wie brillante Einzelköpfe, denen ein Betrieb jede Freiheit der Entfaltung einräumt. Aber schauen wir uns mal in der realen Arbeitswelt um: An jeder Stelle herrscht ein Team. Beim Anruf oder Anschreiben einer Firma stossen wir erst mal auf ein "Serviceteam", früher auch Callcenter genannt. Keine Chance mehr, sein individuelles Anliegen mit einem bestimmten Sachbearbeiter, der auch eine Entscheidungskompetenz hat, zu verhandeln.

Zur Konzeption eines neuen Produkts wird erst einmal ein Konzeptteam gebildet. Wer einen neuen Job sucht, wird zu allererst auf seine Teamfähigkeit abgeklopft, gerade so, als handele es sich hierbei um die absolute Schlüsselqualifikation, man nennt das im Genre auch gern ein "K.-o.-Kriterium". Es gibt heute kaum noch eine Stellenanzeige, in der der Begriff Teamfähigkeit nicht als solches an exponierter Stelle steht. Dem Team wird a priori mehr Weisheit angedichtet als der Summe seiner Mitglieder. Da ist z. B. die Rede von der sogenannten "Schwarmintelligenz".

Dabei ist leider nur zu oft das Gegenteil Realität. Wie sich irrationale Reaktionen, einem selbstinduzierenden Dynamo gleich, aufschaukelnd verstärken, erleben wir immer wieder an den Börsen. Jeder einzelne Akteur ist dort im Prinzip ein zurechnungsfähiger Mensch, aber allein die sich gemeinsam steigernde Angst vor einem Crash ruft denselben dann real auf den Plan. So entwickelt sich die Teamarbeit immer mehr zu einer Arbeitszeitvernichtungsmaschine.

In den grossen Betrieben und Behörden verbringen die Mitarbeiter inzwischen mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit in Besprechungen bzw. Meetings meistens mit dem erlösenden Ergebnis: "Ein Anderer macht’s." Auf diese Weise hängen sich die meisten Teammitglieder an "Leitwölfe" an, und sollte doch mal einer auf die Idee kommen, aus dem beschlossenen Mainstream mit eigenen Ansätzen ausscheren zu wollen, dann wird ihm die Führungskraft unmissverständlich signalisieren, dass er hier gerade unangenehm im Team auffällt. Aber wer sich unterordnet und einordnet, der wird befördert.

 

Einsamkeit als sprudelnder Quell der Kreativität

Beispiele aus unserer Geschichte gibt es viele, die beweisen, dass Zurückgezogenheit und Introvertiertheit grosse Leistungsfähigkeit nicht behindern, sondern vielleicht überhaupt erst möglich machen, denken wir nur mal an Buddha, Jesus von Nazareth, Moses, Thomas Alva Edison oder Pablo Picasso. Sogar die gesamten USA sind auf der Basis des Individualismus zur Grossmacht aufgestiegen, aber schon lange wurde diese gute alte und bewährte Lebenseinstellung durch den „Groupthink“ verdrängt.

Die Bereitschaft, persönlich Verantwortung zu tragen, unterliegt heute dem feigen Verstecken hinter einem Team. Eine beliebte anfängliche Massnahme eines Teams ist das sogenannte Brainstorming. Aber auch dabei kommt schnell die Gruppendynamik unserer Harmoniesucht und die gegenseitige Beeinflussung zur Auswirkung, indem sich dann die meisten Ideen sehr ähneln. Schreibt aber jeder seinen Vorschlag ganz allein und ohne Einsichtnahme in das, was die anderen Kollegen zu Papier bringen, in ein Textdokument, dann werden sich viele wirklich sehr unterschiedliche Ansätze ergeben. Der moderne Fokus auf die Teamarbeit und deren „Gruppenwärme“ ändert gar nichts am Zustand unserer unerträglich kalten und nur von der Rentabilität beherrschten Gesellschaft, in der sich faktisch jeder Mensch als Einzelkämpfer gegen alle anderen Mitbewerber behaupten muss.

Bildquelle: Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de

Submit to DeliciousSubmit to DiggSubmit to FacebookSubmit to Google PlusSubmit to StumbleuponSubmit to TechnoratiSubmit to TwitterSubmit to LinkedIn

Weitere interessante Themen

 
Logo maennerseite ch