Leben in der Ungewissheit 

Wer kennt dies nicht: die Jobs sind nur vorübergehend, es ist kein Verlass auf irgendetwas, stabile Strukturen zerfallen immer mehr und verflüchtigen sich. Mit dieser sozialen Entwurzelung, die uns derzeit alle trifft, geht eine grosse Verunsicherung der Menschen einher. Menschen sind nämlich seit Jahrmillionen soziale Wesen, die in Gruppen leben. Nun werden die Gruppen auseinandergerissen und eine immer grössere Vereinzelung findet statt. Wir sitzen alleine vor den Bildschirmen und chatten mit unseren Freunden in Facebook. Dabei wissen wir nicht einmal, ob diese Freunde wirklich existieren, und wie viel Interesse sie tatsächlich an uns haben. Mehr als 150 Freundschaften nämlich sind in einer analogen sozialen Struktur gar nicht zu pflegen. Nun haben wir aber mehr als 1000 Freunde auf Facebook und können jeden von ihnen mit einem Klick eliminieren. Die Freunde sind zudem leicht zu erwerben, sie werden einem mittels Klick von Facebook sogar schon vorgeschlagen. Nur ein Klick und eine Freundschaftsanfrage an den Vorschlag, und dann hat man schon einen neuen Freund.

 

Wir leben in einer Übergangszeit

 

Laut dem britisch-polnischen Philosophen Zygmunt Baumann leben wir in einer Zeit des "Interregnum". Interregnum heißt in einer Zwischenzeit oder in einer Zeit des Übergangs. Alte soziale Strukturen zerbrechen, aber es hat sich auch noch keine neue Ordnung gebildet. 

Wie kann man hier trotz dieser enormen Umwälzungen trotzdem ein glückliches und erfülltes Leben führen, ein Leben ohne Ängste und Sorgen? Wir können ja die großen Umwälzungen nur schwer aufhalten, wenngleich jeder einzelne etwas zu einer besseren und gerechteren Welt beitragen kann.

Im Kleinen kann man mehr auf seine tatsächlichen Freundschaften achten und diese pflegen. Man kann sich mit seiner Nachbarschaft austauschen und gemeinsame Feste organisieren. Man kann aber auch das Smartphone für 10 Tage im Urlaub aus seinem Umfeld verbannen und einmal ohne Überwachung und Handystrahlen das Leben geniessen. Man kann den Fernseher aus seiner Wohnung verbannen und stattdessen gezielter seine Sendungen und Informationen im Internet abfragen, oder aber auch die Zeit mit Familie und Freunden verbringen.

Bei den Wahlen kann man genauer hinsehen, wer nur eine Marionette der Macht ist, und wer wirklich für vertretbare Ziele gerade steht. Wer für den Krieg ist und die Waffenindustrie, und wer sich gegen eine weite Aufrüstung und für den Frieden auf der Welt einsetzt.

Nach Zygmunt Baumann liegt die Schwierigkeit heutzutage darin, dass sich die Macht nicht mehr zuordnen lässt. Wir sehen die eigentlichen Macht-ausübenden nicht mehr, sondern sie haben sich ins Unsichtbare verflüchtigt.
Waren früher zum Beispiel die Gefängniswärter noch sichtbar, so kann man heute das Gefängnis und die Kontrolle in der Arbeit nicht mehr örtlich ausmachen. Möglicherweise leben wir sogar alle in einem digitalen Gefängnis, und dies freiwillig, denn wir tragen unsere digitale Fussfessel jeden Tag freiwillig mit uns herum. 

Wenn wir uns erst einmal dessen bewusst werden, wie wir gesteuert und manipuliert werden, um zu funktionieren und zu konsumieren, dann ist schon der erste Schritt in die richtige Richtung getan.

 

Share und Repair

 

Und tatsächlich gibt es so etwas wie Hoffnung. Die zahlreichen "Share und Repair" Tendenzen der letzten Jahre in Bezug auf Ressourcen, in Bezug auf Konsumieren, aber auch in Bezug auf den öffentlichen Raum und neue Wohnformen, lassen eine Gegenbewegung erahnen, die uns alle wieder mehr hin zur Verwurzelung und zu einer analogen Gemeinschaft führen kann. Eine Gemeinschaft, wo der eine auch wirklich für den anderen einsteht, wo noch wirklich die Liebe eine Rolle spielt, wo der eine dem anderen ein Stück Sicherheit geben kann, und ihn nicht einfach digital wegdrückt, wenn er nicht mehr ins Leben passt.

 

Bildquelle: TimHill / pixabay.com

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