Kaschmirpullover im Sinkflug

Kaschmirwolle, auch als Cashmere bezeichnet, wird aus dem Unterfell der Kaschmirziege erzeugt. Der Name stammt von der Region Kaschmir, in dem die bedeutsamsten Länder China, Iran und die Mongolei liegen. Nach der Scherung, Reinigung und Sortierung wird das feine Unterhaar dieser Ziege u.a. für die Produktion von Kaschmirpullover genutzt. Pro Tier werden etwa 150 Gramm Wolle gewonnen. Die Garnlänge ist für die Qualität entscheidend und damit auch für den Preis des Naturerzeugnisses. Im Gewebe oder im Pullover bieten längere Fasern eine höhere Lebensdauer und sind deswegen teurer. Bei einer doppelt so langen Faser kann ein bis zu zehnfacher Preisanstieg die Folge sein. Der Grund ist darauf zurückzuführen, dass die Kaschmirziege nur in grösseren Abständen gekämmt werden kann und deswegen lange Kaschmir-Garne eine Rarität bilden.

Der Werdegang des Kaschmir ist mit vielen anderen Luxusprodukten vergleichbar. Einst ein nicht für jedermann erschwinglicher Luxus. Auch heute sind Pullover von Designern aus diesem Material für mehr als 1000 Franken zu haben. Aber es geht auch preiswerter: Zahlreiche Modeketten starteten in den letzten Jahren, Kaschmirpullover mit dünnem Strick für weniger als 150 Franken den Konsumenten anzubieten. Wie kann es passieren, dass ein seltener Rohstoff wie das Winterunterfell der Kaschmirziege den Markt mit einem Überangebot versorgt? In der heutigen Zeit erfolgt die Herstellung nicht nur im Gebiet des Namens sondern auch aus unterschiedlichen Gegenden der chinesischen Berge, der Mongolei oder Afghanistan. Die hübschen, langen und weißen Haare werden dort von den Edelproduzenten gekauft.

 

Unterschiedliche Ursachen für die Kaschmirkrise

Mit einem Umsatz von 4 Milliarden Dollar sind Kaschmirprodukte an den mit 60 Milliarden Dollar umfassenden Marktes mit Luxusartikeln beteiligt. Es wird geschätzt, dass je nach Qualität jährlich zwischen 6500 bis 8000 Tonnen hergestellt werden.

Die Studie des Edelkonzerns Kering und der Organisation Business for Social Responsibility spiegelt wider, dass dieses weitergehende Dilemma durch die Marktsituation und den Klimawandel ausgelöst wurde. Kaschmirziegen sind nur in bestimmten Arealen in der Lage, ihr beliebtes Winterfell zu erzeugen. Um die globale Nachfrage zu befriedigen, wurden einfach die Anzahl der Herden angehoben. Zwischen 1993 bis 2009 stieg der Anteil von ursprünglich 23 Millionen auf 44 Millionen Kaschmirziegen an. Mit fatalen Folgen für die Weideflächen: Im Gegensatz zu Schafen, die nur die Grasbüschel bevorzugen, werden durch die Ziegen die kompletten Gräser inklusive Wurzel aus dem Boden gerissen. Ausserdem werden für das Wachstum der feinen Unterhaare harte Winter für die Tiere benötigt – und durch den Klimawandel und deren Erwärmung geschieht dies immer weniger. China versucht dieses Problem mit Restriktionen zu regulieren, Afghanistan und die Innere Mongolei unternehmen in diesem Bereich keine Anstrengungen.

 

Alles echt?

Vor kurzem verdeutlichte Kim-Hô Phan, ein Echthaar-Analytiker eine zusätzliche Problematik. Oftmals wird Kaschmir gefälscht oder es erfolgt ein Mix mit sonstiger Wolle oder Fasern. Die Veränderung der Wollfasern erfolgt durch Weichmacher, z.B. Silikon oder durch die Integration von gleichartigen Fasern. Auch Manipulationen auf chemischer Basis sind nicht ausgeschlossen. Wie viel Kaschmir ist tatsächlich in den günstigen Kaschmirpullovern zu finden? Fordert der Konsument tatsächlich eine echte Qualität, sollte er bei den Nobelherstellern kaufen. Bereits die Weiterverarbeitung des luxuriösen Stoffes ist ein Kunsthandwerk, die nur einige auserwählte, u.a. Ermenegildo Zegna oder Loro Piana ausüben. Die Verordnung der Textilkennzeichnung schreibt vor, dass die Prädikatsvergabe „100%“, „Rein“ oder „Ganz“ nur an Kleidung vergeben wird, deren Bestandteil nur eine Faser aufweist. Es passiert oftmals, dass der hochwertige Stoff trotz der Vorschriften eine falsche Deklaration erhält. Die Preisdifferenz zwischen Kaschmir und fremden Fasern, z.B. Yakhaar ist sehr hoch und navigiert zwielichtige Geschäftemacher dazu, einen Mix aus Tierhaaren in den Marktkreislauf zu bringen. Für den Verbraucher ist es nicht einfach, die tatsächliche Qualität zu eruieren. Nur Motten haben grösseres Interesse an Kaschmir als für jeden Wollpullover. Ein gutes Testkonzept mit bösem Endresultat.

Bildquelle: jarmoluk / pixabay.com

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