Wenn Männer an den Nadeln hängen

Männer, Tendenz steigend, hängen an der Nadel. Kein Grund zur Besorgnis, denn es geht ja nur um Stricknadeln. Mit anderen Worten: Endlich haben auch Männer die wohltuend beruhigende Kunst des Strickens für sich entdeckt und sind damit in der Tat einer Sucht verfallen: der Stricksucht.

Wenn ein Mann zu Weihnachten oder zum Geburtstag von seiner Mutter oder Oma ein Paar selbst gestrickte Socken bekommt, dann lächelt er höfflich und die Socken verschwinden auf nimmer wiedersehen in der düsteren Tiefe einer Schublade. Aber wenn die Mutter oder Oma von ihrem geliebten Sohn oder Enkel selbst gestrickte Socken geschenkt bekommt, dann werden diese auch wirklich stolz bis zum letzten Loch abgetragen.

Aber auch die Ehefrau oder die Freundin sind stets sehr gerührt über ein solches mit Liebe gemachtes individuelles Geschenk angetan, denn sie wissen, dass dieses Geschenk nicht mal eben schnell an der nächsten Tankstelle besorgt wurde, sondern mit einem hohen zeitlichen Aufwand hergestellt wurde. Es müssen ja auch nicht immer nur Socken sein. Wer einmal dem Strickmodus verfallen ist, dem sind keine Grenzen der Kreativität mehr gesetzt, über den Schal kommt man schnell auf den kunstvollen modischen Pulli.

 

Warum auch Männer gern stricken

Diese wohltuende, beruhigende Stimmung, die sich beim Stricken automatisch einstellt, kann jeder Mensch völlig unabhängig von seinem Geschlecht geniessen. Es ist wohl das monotone, gleichmässige "Nadelklackern", das so entspannend auf unser Nervensystem einwirkt und unsere Gedanken dann frei in die unendlichen Tiefen unseres inneren kleinen Universums abtauchen lässt. Dieser Effekt, dass bei einer monotonen Arbeit der Hände unser Geist kreativer und erfinderischer wird, ist ja auch schon altbekannt. Das Stricken regt im Menschen sozusagen einen sich selbst induzierenden Dynamo an, und der sieht so aus: Um gut stricken zu können, soll man sich selbst erst einmal in eine ruhige Stimmung versetzen. Diese zunehmende Beruhigung, die fast einem autogenen Training gleichkommt, wirkt sehr positiv auf unser Gemüt, und das viel ruhigere Gemüt bringt sichtbare Erfolge beim Stricken. Die Erfolgserlebnisse verleihen uns mehr Sicherheit und spornen uns zur Umsetzung neuer Ideen an. Die gesteigerte Kreativität verstärkt dann das Interesse am Stricken immer weiter.

Abgesehen von dieser beruhigenden kreativen Seite des Strickens, liegen weitere Vorteile dieses Hobbys auf der Hand bzw. in der Handtasche. Stricken kann man spontan überall und jederzeit, dazu braucht man keine Steckdose, kein WLAN, kein spezielles Equipment ausser eben zwei dünne, leichte Stricknadeln und etwas Wolle. Wer auf ein individuelles äusseres Erscheinungsbild Wert legt, hat genau das damit in der eigenen Hand. Auch bei vorgegebenen Mustern besteht die Möglichkeit, durch Änderungen der Farben, sein "eigenes Ding" zu schaffen.

 

Kann denn ein Mann überhaupt stricken?

Es war ja einst die typische Rollenverteilung innerhalb der Familie, die es mit sich brachte, dass sich in erster Linie die Mütter und Grossmütter um das Kochen, Putzen und auch um die Herstellung der Bekleidung gekümmert haben. Aus dieser Tradition heraus hatte sich das Stricken als Frauenhobby manifestiert. Das bedeutet aber nicht, dass Männerhände dies grundsätzlich nicht auch ebenso gut leisten können. Die Tätigkeiten der Männer erforderten früher grössere körperliche Kraft, sodass die "Hornhautpranken" von Holzfällern oder Bauarbeitern etwas an Sensibilität verloren, die man für das Stricken braucht.

Heutzutage gehen in der Regel beide Partner arbeiten und verbringen die meiste Zeit an der Computertastatur. Männerhände können heute sehr wohl filigrane Arbeiten ausführen, gute Beispiele dafür sind die Chirurgen oder die Juweliere. Was wir bei all diesen müssigen Diskussionen begreifen müssen: Diese ganze virtuelle Welt, in der wir nur per Mausklick Nullen gegen Einsen tauschen, hat gar nichts zu tun mit der realen Welt, die uns Menschen mit unserem Verstand und unseren Gefühlen über Jahrmillionen optimiert hat. Nicht mehr und nicht weniger steckt hinter unserem tief gehenden Bedürfnis, reale Dinge mit unseren eigenen Händen zu schaffen und zu formen, etwas zu produzieren, was wir mit unseren Sinnen sehen und anfassen oder gar riechen können. Das alles hat auch etwas damit zu tun, dass Handarbeit in der modernen Gesellschaft immer mehr Wertschätzung erfährt.

Übrigens bringen Männer sogar beim Stricken ihre besonderen Vorzüge mit ein: Sie haben oftmals ein sehr konkretes Vorstellungsvermögen, und sie neigen stark zum Experimentieren mit der Folge, dass ihre "Kunstwerke" oft recht extravagant ausfallen, was sich auch schon so oft in der Malerei gezeigt hat. In fast jedem Mann schlummert ein unentdeckter Künstler, erwecken Sie ihn noch heute, vielleicht durch einen kleinen Nadelstich.

Bildquelle: Denise / pixelio.de

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